Von Kampf, Macht und Arbeit. Zur Rekonstruktion von Hegels Herr- & Knechtschaft (Maximilian Huschke)

Von Kampf, Macht und Arbeit. Zur Rekonstruktion von Hegels Herr- & Knechtschaft (Maximilian Huschke)

Wann

Mittwoch - 19.02.2025
19:00 - 21:00  

Wo

Meuterei
Zollschuppenstraße 1, Leipzig
Raum: Meuterei
Rollstuhlgerecht? Unbekannt
Details
Kaum eine Denkfigur Hegels ist so berühmt und berüchtigt wie die Dialektik von Herrschaft und Knechtschaft. Dabei ist der Passus, in dem sie entwickelt wird, weder sonderlich umfangreich noch prominent platziert. Auch von Dialektik ist in der Passage selbst keine Rede. – Trotzdem wurde diese Figur in den etwas mehr als 200 Jahren seit der Veröffentlichung der Phänomenologie des Geistes wiederholt mindestens zur Inspiration wenn nicht gar zu Quelle und Bestandteil emanzipatorischer Überlegungen. Um diese Bedeutung zu verstehen – und vielleicht auch kritisch zu prüfen –, bedarf es eines Grundverständnisses von Hegels Überlegung. Das zu erarbeiten, ist keineswegs leicht. Dass dem so ist, sollte aber wiederum auch keine Rechtfertigung von Heroismus sein: Schwere Verständlichkeit allein macht einen Gedanken nicht gut. Allerdings steht angesichts der politischen Rezeption doch zu vermuten, dass die „Herr-Knecht-Dialektik“ einen Gedanken artikuliert, von dem diejenigen lernen können, die ein Interesse an menschlicher Emanzipation hegen. Um diese Vermutung zu prüfen, verortet der Vortrag die Passage zunächst systematisch in der Phänomenologie des Geistes. Daran schließt sich eine Rekonstruktion von Hegels Argumentation des Abschnittes zu Herrschaft und Knechtschaft an. Abschließend wird anhand von Passagen anderer Werke Hegels skizziert, inwiefern er selbst seiner Denkfigur Bedeutung für gesellschaftliche und geschichtliche Auseinandersetzungen zusprach.

Wir laden euch zu zwei Vorträgen ein, die unter der Überschrift “Hegels Dialektik von Herr und Knecht“ stehen. Was sich aufgrund des Autors und des vorauseilenden Rufes seiner oft als harte Brocken angesehenen Texte kompliziert anhört, verspricht dem Titel nach doch ebenso Kampf, Auflehnung und Befreiung, da Herr und Knecht ja einen Antagonismus bilden müssen. Bevor uns jedoch sogleich das Agitationsorgan anschwillt und wir den Text hinter uns lassen, bevor wir uns mit ihm beschäftigt haben, sei gesagt, dass es an dieser Stelle erstmal nicht ums Proletariat geht, sondern um die Auseinandersetzung mit der Dialektik als Form und Möglichkeit eines unabhängigen, autonomen Denkens. Eben dieses dialektische Denken, welches nicht leicht zu fassen ist und sich einer Definition nur zu gern entzieht, gilt zwar ebenso als schwere Kost, jedoch ist dies noch kein Grund dafür, dass es ausgedient haben sollte. Denn ebenso, wie keine Epoche des Denkens aus dem Nichts hervorkommt, so vergeht sie auch nicht spurlos. Trotz vieler Angriffe und Abwertungen bleibt die Dialektik präsent, denn “alles Denken umgreift lebendiges Erbe, selbst da, wo es sich seiner nicht bewußt ist.“
Die Herr-Knecht-Dialektik Hegels ist nun einer der besonders einflussreichen und viel behandelten Texte des dialektischen Denkens. Im Kontext der politischen Philosophie dient er nicht selten als Bezugspunkt für Theorien der Befreiung, was ihn für ein autonomes Denken doch im Besonderen interessant machen sollte, da Befreiung nicht nur in der Tat, sondern gerade auch im Denken gelingen muss. Nichtsdestotrotz sprechen die philosophischen Grundlagen bedeutender Theorien von Emanzipation und Befreiung zurecht den praktisch orientierten Geist des politischen Handelns an. So wie es allerdings nichts wird, ohne Hegel über Dialektik zu sprechen, so bildet die Herr-Knecht-Dialektik die Grundlage für eine Auseinandersetzung mit zentralen Texten von sowohl Feuerbach, Marx und Engels als später im Kontext der Verdinglichung von Lukács, Bloch und Marcuse. Adorno und Horkheimer beziehen sich ebenso darauf, wie Fanon. Etwas pauschalisierend gesagt, begegnen wir in weiten Teilen des Marxismus des 20. Jahrhunderts Herr und Knecht in ihrer durchaus sperrigen Beziehung; ebenso in den Therorien der französischen Existenzphilosophie. Letztere ist immer noch – mal mehr und mal weniger bewusst – äußerst langlebig und präsent in heutigen, populären Theoriemoden.
Es wird sich nach Hegel also viel und immer wieder auf das IV. Kapitel der Phänomenologie des Geistes bezogen.
In diesem IV. Kapital nimmt der Abschnitt A unter der Überschrift “Selbstständigkeit und Unselbstständigkeit des Selbstbewußtseins; Herrschaft und Knechtschaft“ allerdings gerade einmal zehn Seiten ein. Zehn Seiten, deren Inhalt es vermochte, mehr als ein Jahrhundert emanzipatorischer Geistesgeschichte nachhaltig zu beeinflussen. Wie kann es sein, dass ein Unterkapitel dieser ja nicht ganz zugänglichen Phänomenologie des Geistes, dass sich vordergründig ganz abstrakt mit der wechselseitigen Anerkennung als notwendigem Element für die Konstitution und Entwicklung des Selbstbewusstseins befasst, so Geschichte macht?
Wir möchten davon mehr und ebenso verstehen, um welches Verhältnis es Hegel mit der Herr-Knecht-Dialektik denn nun wirklich geht. Es ist nämlich bei weitem nicht so klar, ob es Hegel überhaupt um ein reales gesellschaftliches Verhältnis geht, oder Herr und Knecht nicht vielmehr nur sinnbildlich für Bewusstseinsstufen aus der Analyse des Selbstbewusstseins stehen. Falls es sich jedoch auch bei Hegel um reale Umstände handelt, so stellt sich die Frage, ob es um ein feudales Verhältnis geht oder vielleicht vielmehr um den Kampf zwischen Bürgertum und Adel oder doch ein ganz anderes Verhältnis gemeint ist? Vielleicht kann uns ein Blick weg von der Phänomenologie und hin zu Hegels Rechtsphilosophie einiges entschlüsseln, wenn es um die realen gesellschaftlichen Verhältnisse geht, die Hegel ja nicht einfach ausblendete.
Kritisch geblickt werden muss jedoch auf die Interpretationsgeschichte, die nur allzu gern Hegels Gedanken vereinfachend vor den einen oder anderen Karren spannte und den dialektischen Anspruch aufgab. Wir denken, dass es hier weder einfach um den Antagonismus von Proletariat und Bourgeoisie geht noch nur um eine Theorie des Kampfes um Anerkennung, die von Hegel ausgehend und mittels ein wenig geschichtlicher Einbettung plötzlich als Steigbügel neoliberaler Theorien der stetigen Anpassungsfähigkeit endet.
Da unsere Fragen nicht wenige sind und wir Max gleich für zwei Abende gewinnen konnten, werden wir uns zum ersten Termin mit der Herr-Knecht-Dialektik bei Hegel und am zweiten mit der Interpretationsgeschichte auseinandersetzen.

Auch in diesem Frühjahr werden wir von alea wieder Vorträge, die sich mit dem dialektischen Denken auseinandersetzen, veranstalten. Schon in den vergangenen Jahren haben wir unter dem Namen “Puschen” diverse Veranstaltungen organisiert. Wir freuen uns, dass wir dieses Jahr wieder Maximilian Huschke und Ulrich Brieler für Vorträge gewinnen konnten. Maximilian Huschke wird an zwei Terminen zur Rekonstruktion bzw. Rezeption von Hegels Herr- und Knechtschaft, Ulrich Brieler zum Kapitel “Elemente des Antisemitismus” aus der “Dialektik der Aufklärung” sprechen. Als dritte Referentin konnten wir diesmal Christine Kirchhoff gewinnen, die zum Leid- und Erfahrungsbegriff bei Adorno sprechen wird.

19. 02 • 19:00
 Uhr Maximilian Huschke
Von Kampf, Macht und Arbeit. Zur Rekonstruktion von Hegels Herr- & Knechtschaft

12. 03 • 19:00 Uhr Maximilian Huschke
Eine Geschichte der Befreiung. Zur Rezeption von Hegels Herr- & Knechtschaft

14.03 • 18:00 Uhr Christine Kirchhoff
Zum Leid- & Erfahrungsbegriff bei Adorno

25.03 • 19:00 Uhr
 Ulrich Brieler
Elemente des Antisemitismus & die Dialektik der Aufklärung

Alle Vorträge finden in der Meuterei in der Zollschuppenstr. 1 statt.

Weitere Infos folgen bald unter: https://www.alea-le.org/

Link zur Veranstaltung: https://www.alea-le.org

Veranstaltende Gruppe: alea - Leipziger Antifagruppe

Sprache des Events: Deutsch

Eintritt: Kostenlos

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