Details
Anhand einer Auswahl von Kerntexten sowie zusätzlicher Literatur wollen wir uns der Theorie von Landauers kommunitärem Anarchismus widmen. Dazu wird es einen Reader geben, den wir (gegen eine Spende für die Druckkosten) zur Verfügung stellen. Die Teilnehmer-Plätze sind aufgrund der Corona-Auflagen begrenzt. Bitte meldet euch zu dem Workshop an per E-Mail an landauer2020@riseup.net und versucht möglichst alle drei Teilen wahrzunehmen.
Teil 2 – Geschichtsphilosophie, Revolutionsverständnis, Utopie
Die Revolution (1907) ist für Landauer eine Phase des Übergangs, in welcher die sozialistische Gesellschaft bereits vorweg genommen wird. Dies hat stark mit seiner Geschichtsphilosophie zu tun, die nicht von einer Totalität, sondern von unterschiedlichen gesellschaftlichen Verhältnissen ausgeht, welche parallel zueinander vorhanden sind. Unter Utopie versteht er keinen fernen Traum, sondern die Tendenz nicht realisierter Vorstellungen und Konzepte, welche zu allen Zeiten unter den dominierenden Herrschaftsverhältnissen mitläuft.
ANKÜNDIGUNGSTEXT der Reihe
Der Schriftsteller und Antipolitiker Gustav Landauer gilt als einer der wichtigsten Theoretiker des deutschsprachigen Anarchismus. Er wurde vor 150 Jahren geboren, war ein Protagonist der Münchener Räterepublik und wurde 1919 von konterrevolutionären Freikorps-Soldaten ermordet. Landauer entwarf und propagierte einen libertären Sozialismus, der nicht allein Sache des Kopfes oder Klasseninteresses sein, sondern die Menschen ganzheitlich befreien sollte. Den Marxismus als Parteidoktrin und die in der Sozialdemokratie vorhandenen Hierarchien lehnte er vehement ab. Stattdessen knüpfte er in seinem Denken an radikale Philosophen wie Nietzsche, Mystiker wie Meister Eckart und die jüdische Überlieferung an. Die Moderne sah er kritisch, wurde darum aber keineswegs konservativ, sondern dachte sie alternativ weiter. Dazu entfaltete er auch ein eigenes Geschichtsverständnis und reflektierte über die Bedeutung von Ästhetik, Menschenbild und Spiritualität für die Befreiung der Menschen und den Zusammenhalt einer neuen „Gesellschaft der Gesellschaften“. Demnach fokussierte er sich nicht auf einen politischen Umsturz, sondern rief dazu auf, mit dem Sozialismus heute zu beginnen und in auf Freiwilligkeit basierenden Gemeinschaften eine sozialistische und freiheitliche Kultur, neue Lebensformen und genossenschaftliche Wirtschaftsformen zu entwickeln. Mit der Veranstaltungsreihe möchten wir an einen bedeutenden gesellschaftskritischen Denker erinnern, dessen Erkenntnisse für die politische Theorie, für die Philosophie und für ein Verständnis von Sozialismus, Mensch und Revolution weiterhin relevant sind und als Inspiration dienen können. Zugleich gilt es aber seine Texte auch selbst kritisch zu lesen und sie im Kontext ihrer Entstehungszeit zu betrachten.