Eine Geschichte der Befreiung. Zur Rezeption von Hegels Herr- & Knechtschaft (Maximilian Huschke)

Eine Geschichte der Befreiung. Zur Rezeption von Hegels Herr- & Knechtschaft (Maximilian Huschke)

Wann

Mittwoch - 12.03.2025
19:00 - 21:00  

Wo

Meuterei
Zollschuppenstraße 1, Leipzig
Raum: Meuterei
Rollstuhlgerecht? Unbekannt
Details
Hegels Dialektik von Herrschaft und Knechtschaft war wieder und wieder Bezugspunkt emanzipatorischer Überlegungen. Seien sie marxistisch, feministisch, psychoanalytisch oder postkolonial. Wie sich auf Hegels Überlegungen bezogen und was an ihnen hervorgehoben wurde, war dabei durchaus verschieden. Im Vortrag soll deshalb ein Überblick über die verschiedenen Rezeptionsstränge gegeben werden. Dabei steht weder Vollständigkeit noch Chronologie im Vordergrund. Stattdessen werden exemplarisch einige bekannte und einige womöglich weniger bekannte Bezüge auf Hegels „Herr-Knecht-Dialektik“ skizziert. Vorgestellt werden sie am Leitfaden des Gehalts ihres systematischen Bezugs auf Hegel – also anhand dessen, welche Teilüberlegung sie im Detail aufnehmen und weiterentwickeln. Dabei wird neben dem Gedanken von Kampf und Opposition, der von Herrschaft und Befreiung einerseits und derjenige der Bedeutung von Arbeit andererseits eine zentrale Rolle spielen. Gelegentlich wird sich dabei zeigen, dass der Kontrast zu Hegels eigener Argumentation Erkenntnispotenzial für die Auseinandersetzung mit der jeweiligen Form der verselbstständigten Denkfigur bietet.

Wir laden euch zu zwei Vorträgen ein, die unter der Überschrift “Hegels Dialektik von Herr und Knecht“ stehen. Was sich aufgrund des Autors und des vorauseilenden Rufes seiner oft als harte Brocken angesehenen Texte kompliziert anhört, verspricht dem Titel nach doch ebenso Kampf, Auflehnung und Befreiung, da Herr und Knecht ja einen Antagonismus bilden müssen. Bevor uns jedoch sogleich das Agitationsorgan anschwillt und wir den Text hinter uns lassen, bevor wir uns mit ihm beschäftigt haben, sei gesagt, dass es an dieser Stelle erstmal nicht ums Proletariat geht, sondern um die Auseinandersetzung mit der Dialektik als Form und Möglichkeit eines unabhängigen, autonomen Denkens. Eben dieses dialektische Denken, welches nicht leicht zu fassen ist und sich einer Definition nur zu gern entzieht, gilt zwar ebenso als schwere Kost, jedoch ist dies noch kein Grund dafür, dass es ausgedient haben sollte. Denn ebenso, wie keine Epoche des Denkens aus dem Nichts hervorkommt, so vergeht sie auch nicht spurlos. Trotz vieler Angriffe und Abwertungen bleibt die Dialektik präsent, denn “alles Denken umgreift lebendiges Erbe, selbst da, wo es sich seiner nicht bewußt ist.“   
Die Herr-Knecht-Dialektik Hegels ist nun einer der besonders einflussreichen und viel behandelten Texte des dialektischen Denkens. Im Kontext der politischen Philosophie dient er nicht selten als Bezugspunkt für Theorien der Befreiung, was ihn für ein autonomes Denken doch im Besonderen interessant machen sollte, da Befreiung nicht nur in der Tat, sondern gerade auch im Denken gelingen muss. Nichtsdestotrotz sprechen die philosophischen Grundlagen bedeutender Theorien von Emanzipation und Befreiung zurecht den praktisch orientierten Geist des politischen Handelns an. So wie es allerdings nichts wird, ohne Hegel über Dialektik zu sprechen, so bildet die Herr-Knecht-Dialektik die Grundlage für eine Auseinandersetzung mit zentralen Texten von sowohl Feuerbach, Marx und Engels als später im Kontext der Verdinglichung von Lukács, Bloch und Marcuse. Adorno und Horkheimer beziehen sich ebenso darauf, wie Fanon. Etwas pauschalisierend gesagt, begegnen wir in weiten Teilen des Marxismus des 20. Jahrhunderts Herr und Knecht in ihrer durchaus sperrigen Beziehung; ebenso in den Therorien der französischen Existenzphilosophie. Letztere ist immer noch – mal mehr und mal weniger bewusst – äußerst langlebig und präsent in heutigen, populären Theoriemoden. 
Es wird sich nach Hegel also viel und immer wieder auf das IV. Kapitel der Phänomenologie des Geistes bezogen.
In diesem IV. Kapital nimmt der Abschnitt A unter der Überschrift “Selbstständigkeit und Unselbstständigkeit des Selbstbewußtseins; Herrschaft und Knechtschaft“ allerdings gerade einmal zehn Seiten ein. Zehn Seiten, deren Inhalt es vermochte, mehr als ein Jahrhundert emanzipatorischer Geistesgeschichte nachhaltig zu beeinflussen. Wie kann es sein, dass ein Unterkapitel dieser ja nicht ganz zugänglichen Phänomenologie des Geistes, dass sich vordergründig ganz abstrakt mit der wechselseitigen Anerkennung als notwendigem Element für die Konstitution und Entwicklung des Selbstbewusstseins befasst, so Geschichte macht?
Wir möchten davon mehr und ebenso verstehen, um welches Verhältnis es Hegel mit der Herr-Knecht-Dialektik denn nun wirklich geht. Es ist nämlich bei weitem nicht so klar, ob es Hegel überhaupt um ein reales gesellschaftliches Verhältnis geht, oder Herr und Knecht nicht vielmehr nur sinnbildlich für Bewusstseinsstufen aus der Analyse des Selbstbewusstseins stehen. Falls es sich jedoch auch bei Hegel um reale Umstände handelt, so stellt sich die Frage, ob es um ein feudales Verhältnis geht oder vielleicht vielmehr um den Kampf zwischen Bürgertum und Adel oder doch ein ganz anderes Verhältnis gemeint ist? Vielleicht kann uns ein Blick weg von der Phänomenologie und hin zu Hegels Rechtsphilosophie einiges entschlüsseln, wenn es um die realen gesellschaftlichen Verhältnisse geht, die Hegel ja nicht einfach ausblendete. 
Kritisch geblickt werden muss jedoch auf die Interpretationsgeschichte, die nur allzu gern Hegels Gedanken vereinfachend vor den einen oder anderen Karren spannte und den dialektischen Anspruch aufgab. Wir denken, dass es hier weder einfach um den Antagonismus von Proletariat und Bourgeoisie geht noch nur um eine Theorie des Kampfes um Anerkennung, die von Hegel ausgehend und mittels ein wenig geschichtlicher Einbettung plötzlich als Steigbügel neoliberaler Theorien der stetigen Anpassungsfähigkeit endet.
Da unsere Fragen nicht wenige sind und wir Max gleich für zwei Abende gewinnen konnten, werden wir uns zum ersten Termin mit der Herr-Knecht-Dialektik bei Hegel und am zweiten mit der Interpretationsgeschichte auseinandersetzen.

Auch in diesem Frühjahr werden wir von alea wieder Vorträge, die sich mit dem dialektischen Denken auseinandersetzen, veranstalten. Schon in den vergangenen Jahren haben wir unter dem Namen “Puschen” diverse Veranstaltungen organisiert. Wir freuen uns, dass wir dieses Jahr wieder Maximilian Huschke und Ulrich Brieler für Vorträge gewinnen konnten. Maximilian Huschke wird an zwei Terminen zur Rekonstruktion bzw. Rezeption von Hegels Herr- und Knechtschaft, Ulrich Brieler zum Kapitel “Elemente des Antisemitismus” aus der “Dialektik der Aufklärung” sprechen. Als dritte Referentin konnten wir diesmal Christine Kirchhoff gewinnen, die zum Leid- und Erfahrungsbegriff bei Adorno sprechen wird.

19. 02 • 19:00
 Uhr Maximilian Huschke
Von Kampf, Macht und Arbeit. Zur Rekonstruktion von Hegels Herr- & Knechtschaft
12. 03 • 19:00 Uhr Maximilian Huschke
Eine Geschichte der Befreiung. Zur Rezeption von Hegels Herr- & Knechtschaft
14.03 • 18:00 Uhr Christine Kirchhoff
Zum Leid- & Erfahrungsbegriff bei Adorno
25.03 • 19:00 Uhr
 Ulrich Brieler
Elemente des Antisemitismus & die Dialektik der Aufklärung

Alle Vorträge finden in der Meuterei in der Zollschuppenstr. 1 statt.

Weitere Infos folgen bald unter: https://www.alea-le.org/

Link zur Veranstaltung: https://www.alea-le.org

Veranstaltende Gruppe: alea - Leipziger Antifagruppe

Sprache des Events: Deutsch

Eintritt: Kostenlos

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